Yadegar Asisi

YADEGAR ASISI & STUDIO | 16. Februar 2016 | 3 Min. Lesezeit

Reisetagebuch Antarktis – Teil 2

Zweiter Zwischenstopp auf dem Weg in die Antarktis ist Südgeorgien – eine Insel ohne Menschen, jedoch von anderen freundlichen Bewohnern bevölkert. Philipp Katzer schildert überwältigende Erlebnisse.

Zwei Tage und drei Nächte haben wir kein Land gesehen. Nur Wasser, Wind, Wellen. Der Ozean lässt das Schiff tanzen, bis wir an Bord in eine Art Trance fallen. Am frühen Morgen des dritten Tages weckt uns der Kapitän. Das Schiff steht endlich still. Ich springe aus dem Bett und ziehe den Vorhang zur Seite. Die Sonne flutet meine Kabine. Durchs Bullauge sehe ich Eisberge, die auf dem Wasser treiben. Sind wir schon in der Antarktis?

Ich ziehe mich an, stürme nach oben, ans Deck. Draußen weht ein fieser Wind, ich ziehe meine Mütze tief ins Gesicht. Durch die Ritze zwischen Mütze und Schal sehe ich eine Insel, wie aus einem Märchenbuch. Aus tiefblauem Meerwasser erhebt sich eine Kette schneebedeckter Bergriesen. Drumherum Strand, grüne Felsen. Das muss Südgeorgien sein, die einsame Insel.

Südgeorgien liegt rund 1500 km östlich der Falklandinseln und 1500 km nördlich der Antarktischen Halbinsel. Mitten im Südatlantik, mitten im Nichts. Die Insel gehört offiziell nicht zur Antarktis, obwohl sie innerhalb der antarktischen Konvergenz liegt. Das ist die Grenze, an der die kalten antarktischen Wassermassen auf die wenige Grad wärmeren Gewässer aus dem Norden treffen.

Südgeorgien wurde 1775 vom britischen Seefahrer James Cook entdeckt und für die englische Krone in Besitz genommen. Zu Beginn des 20.Jahrhunderts richtete der norwegische Seefahrer Carl Anton Larsen auf Südgeorgien eine Walfangstation ein. Aus der Speckschicht der Wale kochte man hier das Waltran heraus. Dieses Fett verwendete man als Brennstoff für Lampen und als Rohstoff für die Herstellung von Margarine und Seife. Zwischen 1904 und 1965 erlegten die Walfänger auf Südgeorgien rund 175.000 Wale. Heute sind viele Walarten fast ausgerottet.

Uns zieht es wegen der riesigen Pinguinkolonien nach Südgeorgien. Ein paar Millionen sollen auf der Insel leben, vor allem Königspinguine. Noch dazu tausende Robben, Seevögel und See-Elefanten. Wir sind alle ziemlich aufgeregt, als das Schlauchboot noch vor dem Frühstück in Richtung Südgeorgien ablegt. Gleich werden wir eine neue Welt betreten. Eine Welt ohne Menschen. Unberührt.

Mathias Thiel, Richard Klemm und Yadegar Asisi beschreiben den Moment, als sie den Strand von Salisbury Plain auf Südgeorgien betreten.

Richard Klemm, Kameramann: „Wir sitzen im Schlauchboot vom Schiff zur Insel. Kurz vor dem Anlanden, nicht mal mehr zehn Meter bis zum Strand, sehe ich zum ersten Mal das unglaubliche Gewusel dort. Dann stoßen wir auf Grund, ich steige aus. Mit ein paar Schritten stehe ich plötzlich mitten in einer anderen Spezies. Ich fühle mich, wie auf einem neuen Planeten. Verstärkt wird dieses Gefühl dadurch, dass die Königspinguine alle gleich aussehen. Hundertfach das gleiche Gesicht nebeneinander. Ich fühle mich wie in einer Klon-Kolonie. Überwältigend.“

Mathias Thiel, asisi Creative Director: „Der erste Kontakt mit den Pinguinen – magisch. Wir nähern uns der Insel vom Wasser aus und fahren mit dem Schlauchboot mitten rein in die Kolonie. Am Strand kann ich kaum treten, alles voller Pinguine und Robben. Noch nie in meinem Leben habe ich so viele Tiere auf einem Fleck gesehen. 200.000! Ich fühle mich ganz glücklich, wie beseelt.
Auch weil die Tiere keine Scheu haben. Vorher wird man aufgefordert, fünf Meter Abstand zu halten. Aber es sind die Tiere, die sich nicht daran halten. Ich stehe einfach da, fotografiere – und die Pinguine kommen bis auf einen halben Meter ran. So etwas zu erleben, ist wahnsinnig wichtig, um ein Gefühl für einen Ort zu bekommen. Das wird man später im Panorama und der Ausstellung spüren.“

Yadegar Asisi: „Ich setze den ersten Fuß auf die Insel, auf einmal kommen von überall diese Tierchen. Pinguine und kleine Robben. Was mich sofort beeindruckt: der Sound der Tiere. Das Schnattern. Ich bleibe stehen, noch am Strand. Weiterlaufen geht einfach nicht, weil ich nicht weiß, wie ich mich zwischen den tausenden Tieren verhalten soll.
Doch die Pinguine akzeptieren einen, das wird mir schnell klar. Die rennen nicht weg. Manche weichen zurück, andere sind neugierig und kommen auf einen zu. Die Selbstverständlichkeit, mit der die Pinguine einfach dastehen und nichts tun, hat etwas Absurdes. Diesen Morgen am Strand von Salisbury Plain werde ich mein Leben lang nicht vergessen.“